Resozialisierung braucht die Gesellschaft
Köln – Was haben Sportvereine und die Freiwillige Feuerwehr mit der Wiedereingliederung haftentlassener Menschen zu tun? „Gerade junge Gefangene haben draußen irgendwann Sport gemacht“, sagte Kirstin Drenkhahn am Montag auf einer Tagung der Deutschen Bewährungshilfe (DBH) in Köln. In Vollzug nähmen Gefangene an Theater- und Kunstgruppen teil. „Warum sollte das eigentlich nicht weitergehen?“, fragte die DBH-Präsidentin, die an der FU Berlin Strafrecht und Kriminologie lehrt.
Drenkhahn sprach über „Resozialisierung als gesellschaftliche Aufgabe“. Freizeitaktivitäten aus dem Vollzug draußen fortzuführen, werde noch nicht richtig mitgedacht, aber darin stecke Potential. „Wenn ich mich in einem Verein engagiere, spiegelt das typischerweise die Auseinandersetzung mit Normen und Werten wider“, sagte Drenkhahn. Und – nach eigenen Worten – flapsig ergänzte sie: „In der Zeit, die ich beim Fußballtraining bin, kann ich keinen Scheiß bauen.“ Vielleicht seien allerdings Fußballvereine gar nicht immer erpicht darauf, Haftentlassene aufzunehmen.
Gerade für das deutsche Gesellschaftssystem sei eine kommunale Strukturierung typisch. „Vereine prägen die soziale Infrastruktur in Deutschland“, so die Wissenschaftlerin. In den 2000er Jahren habe eine kommunal ausgerichtete Kriminalprävention ihren Höhepunkt erlebt. Die Förderung freier Träger sei in dieser Zeit mitunter an kriminalpräventive Angebote gebunden gewesen. Auch heute böten Vereine wichtige Netzwerke – etwa wenn es um die Vermittlung in Arbeit gehe. Vereinsaktivitäten böten zudem Gelegenheiten für Selbstwirksamkeitserfahungen. Und hinter manchen kriminellen Handlungen stecke ein Erlebnishunger. In gewisser Weise gelte für ein Engagement bei der Freiwilligen Feuerwehr aus diesem Blickwinkel: Der „Nervenkitzel kann befriedigt werden.“
Die DBH-Tagung stand unter dem Thema „Entlass- und Übergangsmanagement“. In einem Arbeitsgespräch präsentierte sich die „Fachgruppe Übergangsmanagement NRW“. In dieser beratend für das NRW-Justizministerium tätigen Gruppe kooperieren Mitarbeitende aus dem Justizvollzug, aus den sozialen Diensten der Justiz und aus der freien Straffälligenhilfe. Diese drei „Säulen“ der Wiedereingliederung hätten in der Vergangenheit eher nebeneinandergestanden, so Manuel Sheikh von Chance e.V. aus Münster. „Aus dieser Fachgruppe heraus ist eine Haltung entstanden, die propagiert, dass es nur zusammen funktioniert.“
Erste umfangreiche Arbeitsergebnisse – etwa zur Wohnsituation Haftentlassener, zu den vollzugsöffnenden Maßnahmen oder zu einem möglichen Resozialisierungsgesetz – habe die Fachgruppe Ende 2023 dem Justizministerium vorgelegt. Veröffentlicht wurden diese Arbeitsergebnisse bisher nicht.
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