NRW-Justiz braucht Straffälligenhilfe – Land streicht Finanzierung
Köln (2mind) – Straffälligenhilfe ist wichtig, gekürzt werden die dafür bestimmten Landesmittel dennoch. Diese Botschaft hatte Nordrhein-Westfalens Justizminister Benjamin Limbach bei seinem Besuch auf der „Fachwoche Straffälligenhilfe“ am 25. Oktober in Köln im Gepäck. „Straffälligenhilfe steht dem Justizvollzug beratend und unterstützend zur Seite“, so der Minister. Für Menschen nach der Haftentlassung seien die Angebote der Straffälligenhilfe besonders wichtige Angebote. Limbach weiter: „Ohne Sie würde etwas Entscheidendes fehlen.“ Für die Mittelstreichungen gelte deshalb: „Ich kann diese Kürzung in keiner Weise inhaltlich verteidigen.“
Laut der Bundesarbeitsgemeinschaft der Straffälligenhilfe (BAG-S) sollen die Mittel des Landes NRW für die freie Straffälligenhilfe von drei auf eine Million Euro gekürzt werden.
Veranstaltet wurde die „Fachwoche Straffälligenhilfe“ von katholischen und evangelischen Verbänden der Straffälligenhilfe. Sie widmete sich drei Tage lang dem Thema „Desistance“, d.h. dem Blick auf die Ressourcen, die straffällige Menschen beim Ausstieg aus der Kriminalität unterstützen. Für Justizminister Limbach eindeutig ein Thema für Diakonie und Caritas: „Der Blick auf den Straftäter und das, was besser werden kann, ist zutiefst ein kirchliches Thema.“
In Theorien und Forschungsstand zur Desistance führte Prof. Christian Ghanem von der Technischen Hochschule Nürnberg ein. Identitätsveränderung und das Erleben von Selbstwirksamkeit seien in diesem Kontext wichtig. Weitgehend ungeklärt sei die Rolle biologischer Prozesse. Ghanem: „Ich glaube, dass Körperlichkeit an sich eine Leerstelle in der Desistance-Forschung ist.“
Auf die Bedeutung von Gefühlen verwies der Moraltheologe Prof. Michael Rosenberger von der Universität Linz. „Unser Selbstbild wird zu 90% von Gefühlen bestimmt, nicht vom Denken“, sagte Rosenberger. „Menschen, die an ihre Gefühle nicht rankommen, können keine verantwortlichen sozialen Entscheidungen treffen.“ Auch das Phänomen Schuld sei nur über die Gefühle erreichbar. Aufgabe der Straffälligenhilfe sei es, Menschen behutsam bei ihren Gefühlen anzupacken und Gefühle zu wecken. Der Glaube könne dabei durch die Erfahrung des Geliebtwerdens und das Gefühl der Gottesnähe eine unterstützende Rolle einnehmen, sagte der Moraltheologe.
Über 100 Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Strafvollzug und Straffälligenhilfe aus dem ganzen Bundesgebiet nahmen an der Konferenz teil.
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