Bei Haftentlassung obdachlos

Verband fordert Vollzugslockerungen für die Wohnungssuche Inhaftierter und Zugang zu digitalen Wohnungsportalen

Berlin (2mind) – Ein großer Teil haftentlassener Frauen und Männer leben in prekären Wohnverhältnissen ohne eigenen Mietvertrag. Das zeigt eine Lebenslagenstudie der Bundesarbeitsgemeinschaft für Straffälligenhilfe (BAG-S) aus dem Jahr 2023. Unter den Nutzern von Angeboten der freien Straffälligenhilfe waren mehr als ein Drittel auf Wohnungsnotfallhilfe angewiesen. Die BAG-S wollte nun Genaueres über die Wohnungslosigkeit Haftentlassener herausfinden und befragte die Justizministerien der Bundesländer dazu. Die Ministerien verwiesen auf ihre Bemühungen zur Wohnungssicherung im Rahmen des Übergangsmanagements. Wie erfolgreich diese verlaufen, wird von den meisten Bundesländern jedoch nicht erhoben.

Aus Berlin liegen entsprechende Daten vor: Dort blieben in den Jahren 2021 bis 2023 insgesamt 37 bis 43 Prozent der aus dem Strafvollzug, der Jugendstrafe und der Sicherungsverwahrung entlassenen Personen ohne Wohnraum. In diesen Zahlen enthalten sind auch Menschen, die nach der Haftentlassung vorübergehende Unterkunft bei Bekannten, in Einrichtungen der Obdachlosenhilfe, Übergangswohnheimen und anderen geschlossenen Einrichtungen fanden. Nicht als wohnungslos gelten in Berlin Menschen in Einrichtungen des betreuten Wohnens.

Auch aufgrund anderer Zählweisen kommen andere Bundesländer zu anderen Ergebnissen: So waren in Niedersachsen – ohne Berücksichtigung der Entlassenen aus Ersatzfreiheitsstafe – durchschnittlich 5 Prozent zum Zeitpunkt der Entlassung ohne Unterkunft. „Von den Personen mit Unterkunft hatten 38 Prozent eine eigene Wohnung, 34 Prozent wohnten bei Bekannten oder Verwandten und 27 Prozent lebten in sonstigen Unterkünften“, heißt es im BAG-S-Bericht.

Wohnungs- und Obdachlosigkeit will die Bundesregierung bis zum Jahr 2030 überwinden: Das ist in dem im April 2024 verabschiedeten „Nationalen Aktionsplan gegen Wohnungslosigkeit“ nachzulesen. Dazu muss sich auch die Situation für Gefangene verbessern. Denn eine Inhaftierung stellt bei 12 Prozent der wohnungslosen Menschen den Grund für Wohnungsverluste dar, so der Wohnungslosenbericht 2024 der Bundesregierung.

Für Gefangene fordert die BAG-S mehr vollzugslockernde Maßnahmen, denn die „Wohnungssuche bzw. die Suche nach einer (betreuten) Unterkunft ist aus dem geschlossenen Vollzug heraus sehr erschwert bis unmöglich.“ Insbesondere sei vor einer Haftentlassung die Verlegung in den Offenen Vollzug wichtig. Die BAG-S weiter: „Von dort lassen sich Wohnungen suchen und Besichtigungen organisieren, aber auch Termine in Ämtern und Behörden wahrnehmen. Wenn Personen zudem außerhalb der JVA arbeiten, können sie ein Gehalt für die Mietzahlung nachweisen.“

Wichtig sei zudem der Ausbau digitaler Kommunikation im Vollzug: Für die Wohnungssuche seien der Zugang zu Online-Portalen und die E-Mail-Kommunikation wichtig. Beides sei Gefangenen überwiegend verwehrt.

Der BAG-S-Bericht > als PDF zum Download

Dieser Text von 2mind ist lizenziert unter CC BY-SA 4.0

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